Der erste Mai ist vorbei und jetzt stehen für viele Jugendliche im Osten Deutschlands neue Feiertage an. Es ist die Jugendweihe.
Wer es nicht kennt, Jugendweihen werden traditionell von freireligiösen Gemeinden, humanistischen Organisationen und von speziellen Jugendweihe-Vereinen durchgeführt.
Die Weimarer Republik (1918–1933) war die „Blütezeit“ der Jugendweihen. Es etablierten sich vor allem die Jugendweihen der proletarischen Freidenkerbünde der Arbeiterparteien SPD und KPD und bei den Gewerkschaften.
Insgesamt blieb die Jugendweihe zu Zeiten der Weimarer Republik jedoch eine gesellschaftliche Randerscheinung. Über 95% der Jugendlichen feierten nach wie vor das Fest der Konfirmation bzw. der Firmung und ist auch heute noch in den westlichen Bundesländern dominierend.
In der DDR wurde dann die Jugendweihe zu einem Gegenentwurf zur evangelischen Konfirmation und der katholischen Firmung etabliert. So gab es später kaum einen DDR-Jugendlichen, der nicht an der Jugendweihe teilnahm.
So bin auch ich in den Genuss der Jugendweihe gekommen. Und seien wir ehrlich, abseits von dem ganzen politischen Brimborium, war die Jugendweihe für uns 14jährige besonders finanziell von Interesse. Die Familie hatte eine schöne Feier und wir konnten uns oft größere Wünsche erfüllen.
Eine für mich schöne Tradition war, dass jedem Jugendlichen beim Festakt ein Buch überreicht wurde. Bei mir war es noch der Wälzer „Weltall Erde Mensch„. Das Werk sollte ein „umfassendes System der Natur und der Gesellschaft nach marxistisch-leninistischem Muster“ darstellen. Klar sozialistisch angehaucht und religiöse Einstellungen negierend, war es doch ein umfassendes Wissenskompendium, das einen 14jährigen fast überforderte.
Bei meinen Schwestern ging es dann schon ideologischer zu. Die bekamen das Buch „Der Sozialismus, deine Welt“ an die Hand. Das Werk war in drei große Abschnitte gegliedert: „Unsere sozialistische Weltanschauung“, „Unser Jahrhundert – das Jahrhundert des Sozialismus“ sowie „Dein Platz im Sozialismus“. Da war jedem klar, wohin die jungen Erwachsenen geführt werden sollen. „Leider“ hat das Buch sein Ziel völlig verfehlt. Habe ich in meinem Buch noch nach Interessantem gestöbert, blieb dieses Buch gänzlich unbeachtet im Schrank bzw. Regal liegen.
Auch wenn ich die Tradition schön finde und man sie wiederaufleben lassen sollte, was gibt man heute den Jugendlichen mit auf den Weg? „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ oder „2100 Die neue Welt: So retten wir die Zukunft“ oder doch eher „Ein Hund namens Money“ – Vorschläge gäbe es zur Genüge. Eventuell findet sich mal ein Sponsor, um zum Beispiel dem Buch „Weltall Erde Mensch“ das 21te Jahrhundert, zu einer Renaissance zu verhelfen.
Bleibt mir heute nur den zukünftigen Erwachsenen einen guten Start in den neuen Lebensabschnitt zu Wünschen.