Joachim Gauck “Toleranz: einfach schwer”

3451383241
Editionen: - 1. Auflage: € 22,00 EUR
ISBN: 3451383241
Größe: 13,10 x 21,10 cm
Seiten: 224

In der Spiegel-Bestseller-Liste der Woche 27/2019 Hardcover tauchte diese Woche ein neues Buch auf. Das neue Buch "Toleranz: einfach schwer" unseres ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck schaffte es auf Platz vier der Bestsellerliste. Herr Gauck hat sich ein Thema vorgenommen, das schon von vornherein kontroverse Diskussionen erwarten lässt. Für mich etwas erstaunlich ist, dass es für dieses Buch so viele Interessenten gibt und so in den Bestsellerlisten auftaucht. Bei Amazon in der Rubrik "Politik & Geschichte" taucht das Buch (Stand heute) erst auf Platz 83 auf. Ich habe an dieser Stelle schon oft die Spiegel-Platzierungen hinterfragt. Ein Erklärungsansatz könnte sein, wenn man sein Buch in der Hardcover-Variante herausbringt, braucht man nicht so viel Verkäufe. Viel mehr Bücher werden eben doch "nur" als Taschenbuch aufgelegt.

 

Aber zum Buch selbst

Herr Gauck hat mit den Jahren seine Liebe zum Bücherschreiben entwickelt. Nun findet er es Notwendig, über Toleranz in unserem Land zu schreiben.

Dabei erkennt er im Vorwort schon sehr treffend:

"Es ist nicht einmal klar, was Toleranz genau meint. Philosophen, Theologen, Juristen, Soziologen und Journalisten haben zwar immer wieder über Toleranz nachgedacht, eine präzise, für alle verbindliche Definition hat sich daraus aber nicht entwickelt."

Wäre Gauck bei seinem Standpunkt aus der Jugend geblieben, bräuchte er dieses Buch nicht zu schreiben.

"Darüber nachzudenken, was Toleranz meint, war für mich in meinen jungen Jahren nicht nötig gewesen. Sie kam wie von selbst in mich hinein, denn sie gehörte zur gebotenen Lebensform eines Christenmenschen. Wer dem Nächsten mit Respekt, Aufmerksamkeit und Empathie begegnen wollte, musste tolerant sein. Das verstand sich fast von selbst, war also eigentlich ganz einfach – einfach im Sinne von selbstverständlich."

Aber so einfach ist es mit der Toleranz eben doch nicht. Was toleriert wird, ist immer im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Kontext zu sehen. Ein Christ toleriert andere Dinge wie eine Muslime. Die Gesetze eines Staates legen bestimmte Toleranzgrenzen fest. Praktiken, die von der UNO längst geächtet sind, werden in einigen Ländern toleriert und auch vom Gesetz mitgetragen.

So ist das Buch "Toleranz: einfach schwer" die ganz persönliche Sicht auf das Thema Toleranz. Er beleuchtet zwar auch die Entwicklung der Toleranz aus der Geschichte heraus, zeigt aber wieder nur, was toleriert wird, entscheidet die jeweilige Gesellschaft. Denn auch das, was die Kirche heute so gern als ihre christlichen Werte verkaufen möchte, hat sich auch erst im Laufe der Zeit entwickelt und wird auch weiter ständiger Anpassungen unterzogen werden.

Fazit:

Das Buch von Joachim Gauck ist sicher ein leidenschaftliches Plädoyer für Würde, Freiheit, Recht und Verantwortungsbewusstsein. Dabei ist "Toleranz: einfach schwer" die ganz persönliche Sicht des Menschen Gauck auf das Thema, denn er zeigt auch das Toleranz eine Belastung sein kann. Wer die Gedankenwelt des Expräsidenten teilt, wird ihm sicher folgen. Ein fesselndes, literarisches Werk darf man dabei nicht erwarten.

 

 

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Die Lebensentwürfe, Wertvorstellungen, religiösen und kulturellen Hintergründe der Menschen werden immer vielfältiger. Manche erleben dies als Bereicherung, nicht wenige aber als Last. Was muss die Gesellschaft, was muss der Einzelne tolerieren und wo liegen die Grenzen der Toleranz? Wie viel Andersartigkeit muss man erdulden und wie viel Kritik aushalten? In seinem neuen Buch streitet Joachim Gauck für eine kämpferische Toleranz. „Ich war und bin bis heute der Meinung, dass es kein Laisser-faire geben darf gegenüber jenen, die Pluralität und Toleranz mit Füßen treten. Toleranz, die Nachsicht und Duldsamkeit preist gegenüber den Verächtern der Toleranz, hilft den Tätern und nicht den Opfern. Intoleranz gegenüber einer Intoleranz, die Menschen unterdrückt und verachtet, ist eine Haltung von Demokraten im Namen der Menschenwürde.“ Aus der entschiedenen Überzeugung heraus, dass die Gesellschaft eine deutlichere und bewusstere Debatte über Toleranz benötigt, spürt er den Fragen nach: Was macht Toleranz aus und was macht sie notwendig? Und warum ist Intoleranz heute so populär und attraktiv?

Die großen Themen der Zeit – wie das Erstarken populistischer Parteien, die Debatten in der Migrationspolitik, die Zunahme des Islam in europäischen Gesellschaften, die drohende Klimakatastrophe und die zunehmende Digitalisierung der Welt – bieten viel Angriffsfläche für das Maß dessen, was ein Einzelner bereit ist zu akzeptieren und zu ertragen. Daraus erwachsen Formen des Extremismus und der Intoleranz, die der ehemalige Bundespräsident als die großen Herausforderungen unserer Zeit bezeichnet, denn zum bereits vorhandenen Links- und Rechtsextremismus gesellt sich der islamische Fundamentalismus. Intoleranz jedoch nur denjenigen vorzuwerfen, die extreme Haltungen vertreten, ist kurzsichtig. Die „Intoleranz der Guten“ kann ebenso die Gemeinschaft schwächen. Diese politische Korrektheit im Sinne einer politischen und ethischen Orientierung trägt zwar zu gegenseitigem Respekt und Verständigung bei, dennoch müssen kontroverse Diskussionen möglich sein. Dies zeigt sich besonders in Migrationsfragen. Die derzeit größte Zerreißprobe für die individuelle und gesellschaftliche Toleranz ist die hohe Zahl von Menschen, die Schutz in Deutschland und Europa suchen. Kritisch hinterfragt Joachim Gauck, wo die Grenzen der Toleranz erreicht werden.

Der große Demokrat schließt mit einem starken Plädoyer für die Erhaltung und Wahrung von Toleranz als Tugend und als Gebot der politischen Vernunft, die gut ist für jeden Einzelnen und unerlässlich für die Gesellschaft. „Es ist nicht die schlichte Vertrautheit mit dem Eigenen, was uns sicher macht, das Richtige zu verteidigen. Sondern die Gewissheit, dass der Verteidigung wert ist, was allen Menschen zukommt: Würde, Unversehrtheit, Freiheit und Recht. Es wird sich immer und immer wieder lohnen, dafür zu streiten mit Verantwortungsbewusstsein, mit Mut und – mit kämpferischer Toleranz.“


Über den Autor und weitere Mitwirkende

Joachim Gauck, geboren 1940, studierte Theologie und arbeitet viele Jahre als Pastor; Mitinitiator des kirchlichen und öffentlichen Widerstands gegen die SED-Diktatur; ab März 1990 Abgeordneter für das Bündnis 90 in der zum ersten Mal frei gewählten Volkskammer; von 1991 bis 2000 Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR; 2012 bis 2017 elfter Präsident der Bundesrepublik Deutschland; zahlreiche Ehrungen, u.a.: Theodor-Heuss-Medaille, Geschwister-Scholl-Preis, Europäischer Menschenrechtspreis, Ludwig-Börne-Preis; Ehrendoktor der Universitäten Rostock, Jena, Augsburg, der National University of Ireland/Galway, der Hebrew University of Jerusalem, der Université Paris-Sorbonne sowie der Maastricht University.

Helga Hirsch, geboren 1948, studierte Germanistik und Politologie in Berlin und arbeitet seit 1985 als freie Journalistin, unter anderem für den Westdeutschen Rundfunk, FAZ, Arte, Die Welt, Deutschlandfunkt etc.; Autorin zahlreicher Bücher.

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